Ich habe mich verliebt – und zwar in Haines. Diese kleine Küstenstadt im Südosten Alaskas hat alles, was man sich nur wünschen kann. Meer, riesige Berge und Gletscher nur einen Steinwurf davon entfernt, und märchenhafte Wälder, die aussehen, als ob sie als Filmkulisse für „Der Herr der Ringe“ gedient hätten. Außerdem hat dieses kleine Städtchen einen Supermarkt, in dem man alles haben kann, was das Herz begehrt – sogar Salzstangen (meine kleine persönliche Sucht …). Aber immer schön der Reihe nach. Als wir vorgestern Haines Junction verließen, sind wir schnurstracks Richtung Haines weitergefahren, wobei wir unterwegs wie die Verrückten nach Bären und anderen tierischen „Sehenswürdigkeiten“ Ausschau gehalten haben. Aber die Tiere haben sich gut versteckt. Auch die Weißkopfseeadler, die sich normalerweise nahe Haines im Alaska Chilkat Bald Eagle Preserve tummeln, hatten beschlossen, sich an diesem Tag mal ’ne Auszeit vom anstrengenden „Sich-von-Touristen-begucken-lassen“ zu nehmen. Aber wir haben ja noch soooooo lange Zeit, da bin ich guter Hoffnung, noch viel von der alaskanischen Fauna zu sehen. In Haines angekommen, haben wir uns erst mal um einen Zeltplatz gekümmert – ich bin ja gespannt, wie meine „alten Knochen“ den fast unmittelbaren Kontakt mit Mutter Erde so finden werden. Nach einem Spaziergang durch Haines und einem Besuch bei den „Chilkat Dancers“ haben wir uns ein leckeres Abendessen gegönnt – Fish & Chips in einem Retaurant mit Meerblick (was will man mehr zum Glück?).
Am darauf folgenden Tag stand ein Hike auf den Mt. Riley an – durch einen der oben schon erwähnten Zauberwälder. Ich als alter „Wald-Mensch“ konnte gar nicht genug davon kriegen und bin alle paar Meter stehen geblieben, um zu schauen und zu fotografieren. Ich glaube, ich habe Micha ganz schön genervt (obwohl er ja sehr geduldig ist). So auf halbem Weg blieb Micha plötzlich wie angewurzelt stehen – ein Bär? Nein, aber doch eine recht frische Spur von einem. Oh, oh, plötzlich wird einem so richtig bewusst, dass die Viecher ja wirklich jeden Moment vor einem stehen könnten. Ein wenig mulmig wird einem da schon zumute … Na ja, wir haben von da an die Ratschläge aus den Reiseführern, immer laut zu reden, konsequent berücksichtigt – ich habe Micha so ziemlich alle Storys zum „Making of“ vom „Herrn der Ringe“ erzählt, an die ich mich noch erinnern konnte. Micha hat’s ertragen und die Bären hat es ferngehalten … Abends haben wir uns im gleichen Restaurant wie am Tag zuvor eingefunden und diesmal hatte ich meinen ersten Burger, jawoll!
Heute am Mittwoch (ich glaube zumindest, das heute Mittwoch ist, obwohl Micha heute früh ’ne Zeitung gekauft hat, die vom Dienstag war) stand der Strand auf dem Programm. Nach einem recht anstrengenden Marsch über den steinigen Strand, bei dem ich wieder so viele schöne Fotomotive entdeckt habe, dass ich nur am Hin-und-Her-Hüpfen war, sagt Micha auf einmal: „Guck mal da!“ Und da stand er – Ein Grizzly. Das klingt jetzt dramatischer als es war, denn der Bär war bestimmt noch ein paar hundert Meter entfernt, aber trotzdem, es wird einem schon ganz schön mulmig. Die Überlegungen, ob wir noch näher rangehen sollen, waren auch dementsprechend kurz und wir entschlossen uns, den Rückzug anzutreten. Denn, wer weiß, vielleicht hatte der Bär ja den gleichen Gedanken, und wollte sich uns mal näher angucken … Denn, wie heißt es so schön: Besser feige, als ein toter Held. So, ich muss für heute schließen, mehr gibt’s wenn wir in Juneau sind, der Hauptstadt Alaskas, wo wir morgen früh mit der Fähre hinfahren – und wer weiß vielleicht wird ja da mein Traum schon wahr, dass ich einen Wal sehen kann …