Regen-Hike

Nach einer recht unbequemen Nacht im Auto und einem Erwachen im strömenden Regen ohne Frühstück (was, wie ihr euch ja vorstellen könnt, meine Stimmung nicht gerade anhob) fuhren wir (wenn ich wir sage, meine ich diesem Fall immer Micha) den restlichen Weg nach Seward. Dort angekommen, mussten wir uns sofort um das Projekt „Nahrungsaufnahme“ kümmern, bevor mein Blutzuckerspiegel und damit meine Stimmung in den Keller absacken konnte. Micha erkor für uns ein Restaurant wo wir ein Frühstück aus Pfannkuchen und Sirup zu uns nahmen. Also, so nett diese amerikanischen Frühstückssachen für sich genommen auch sein mögen, zum Frühstück sind die nix für mich: Rühreier und Bacon, Frühstückswürstchen, Pfannkuchen und so – das ist doch alles sehr schwer verdaulich. Da bin ich, wie Micha zu sagen pflegt, ein wenig unflexibel. Da brauche ich mein „European Style Breakfast“, damit ich alles zum Glück habe, aber hie und da geht so eine amerikanische Früstückserfahrung schon.

Derart gestärkt, entschlossen wir uns, einen Hike auf den Mt. Marathon zu machen, den Micha schon zwei Jahre zuvor mit seinem damaligen „Travelcompanion“ Oli zu bewältigen versuchte. Wie ihr schon richtig vermutet, haben wir’s auch diesmal nur versucht. Erstens regnete es noch immer, aber entgegen unserer optimistischen Prognose, es werde schon aufhören, regnete es immer stärker und die Hiking-Strecke entwickelte sich zur Schlammrutsche. Zweitens haben wir irgendwie die falsche Abzweigung erwischt und endeten in einem Schneefeld, zusammen mit etwa 30 mexikanischen Matrosen, deren Schiff gerade im Hafen von Seward vor Anker lag. Während ich mich so dick wie möglich eingepackt hatte, marschierten diese wackeren Burschen mit Stoffturnschuhen und T-Shirt auf dem Berg herum (Ich bin mittlerweile doch überzeugt, dass es schlauer war, den Chilkoot erstmal zu verschieben – aber ich mache ihn, darauf könnt ihr Gift nehmen!). Glücklich, aber patschnass, wieder unten angelangt suchten wir uns ein Hotel. Denn auf Zelten im Regen hatten wir jetzt echt keinen Bock mehr.

Trockengelegt begaben wir uns zum Hafen, denn für den Abend stand ein anderes „nasses Abenteuer“ auf dem Programm: eine Fahrt in der Resurrection Bay mit integriertem Lachsessen auf einem romatischen kleinen Eiland. Auf der Hinfahrt sahen wir Seeotter, Papageientaucher und kleine, orcaähnliche Delphine – aber mir schwante schon schreckliches – weit und breit kein Wal. Das Abendessen auf Fox Island war einfach klasse, dazu hatten wir noch sehr nette Gesellschaft: Becky und Josh aus Fairbanks, an deren Tisch wir uns ganz dreist gesellt hatten. Auf dem Rückweg ging dann endlich mein Traum in Erfüllung. Ein Buckelwal gab seine Vorstellung und winkte uns mit der Flosse zu – und das gleich zweimal. Was will man mehr zum Glücklichsein? Meine Lieben, das ist schon ein erhebender Moment – noch erhebender wäre er natürlich, wenn man ihn allein genießen könnte und nicht mit einer aufgeregten Meute fotowütiger Touristen, die einander derart behindern, dass keiner ein gutes Foto schießen kann. Aber das ist eh‘ verdammt schwer, denn wer weiß schon in welchem Moment der Gigant sich zeigen wird – und bis wir soweit waren, war er schon wieder weg. Aber egal, diese Bilder vergisst man seiner Lebtag nicht mehr.

Nach diesem erhebenden Ergeinis beschlossen wir zusammen mit Becky und Josh auf einen „Absacker“ in die Yukon Bar zu gehen. Zwei Pitcher Bier, Live-Musik, nette Freunde – ein perfekter Ausklang für einen Tag, der etwas holperig begonnen hatte. Also genug für heute – jetzt muss ich ins Bett und von meinem Wal träumen …

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