Oh Schreck, Touristenmassen

Gestern als wir von der Fähre kamen und die 12 Meilen in Richtung Juneau fuhren, bekamen wir einen ziemlichen Schreck. Vor der kleinen Hauptstadt Alaskas lagen drei gigantische Kreuzfahrtschiffe vor Anker. Dementsprechend ging es auch Downtown zu. Touris über Touris. Wir quälten uns durch die engen Straßen, die trotz der Menschenmassen, die hier regelmäßig aus den Mäulern der See-Riesen gespien werden, sehr malerisch aussehen. Nach kürzester Zeit hatten wir jedoch genug und machten uns, nach dem Aufstocken unserer Vorräte bei Fred Meyer, auf die Suche nach einer Bleibe für die Nacht, die wir am Mendenhall Campground fanden. Der Campingplatz liegt direkt am Mendenhall Lake, in den der Mendenhall-Gletscher seine Mendenhall-Eisberge kalbt. Dementsprechend kühl ist es dort. Aber zumindest hatten wir dort Ruhe vor dem Verkehrschaos in Downtown Juneau.

Heute wollten wir auf eine von Park Rangern geführte Wanderung gehen. Doch leider fiel die Vormittags-Vorstellung wegen mangelndem Interesse aus und auf die Nachmittags-Ausgabe wollten wir dann auch nicht mehr warten, also beschlossen wir, uns den East Glacier Trail vorzuknöpfen. Die Auskunft eines mit der Gesamtsituation anscheinend zufriedenen Rangers, dass sich dort eine Bärin mit ihren zwei Jungen rumtriebe, sorgte schon für ein etwas komisches Gefühl in der Magengegend. Schon seltsam. Auf der einen Seite will man dem wilden Tier begegnen, auf der andere Seite aber am liebsten nur aus sicherer Entfernung. Woher nur kommt dieser Widerspruch aus Suche nach Gefahr und dem Wunsch nach deren Kalkulierbarkeit.

Auf die Frage, ob sie im Shop auch Bärenspray verkaufen würden, meinte der Ranger nur, dass man das nicht unbedingt benötige. Yeah, right! Fragt sich nur, weshalb dann doch jeder einzelne der Ranger am Gürtel eine solche Dose baumeln hatte. Naja, egal. Ab auf den Trail. Nach einigen Metern verstärkte sich jedoch mein mulmiges Gefühl, nicht zuletzt durch den recht frischen, fast noch dampfenden Haufen Bären-Scheiße. Scheiße, im wahrsten Sinne des Wortes. Mit einer Bärin in Begleitung ihrer beiden Sprösslinge ist bekanntlich nicht zu spaßen. Also überzeugte ich Astrid, dass wir vielleicht doch unter Umständen zurück gehen sollten.

Da kam uns ein Rentner-Ehepaar aus Kanada zu Hilfe. Sie meinten, sie haben früher in Calgary gewohnt und wären so zusagen „bärenerfahren“. Sowas überzeugt und außerdem übernahmen sie freiwillig die Führung. Aus der fast abgebrochenen Wanderung entwicklete sich dank Mary Ann und Nigel, die, wie sie uns später erklärten, ursprünglich aus Großbritannien kamen (ehrlich gesagt war das British English kaum zu überhören), zu einem interessanten und unterhaltsamen Vormittag.

Die letzten Eintragungen luden wir übrigens in der Juneau Public Library hoch. Auch wenn die Hauptstadt Alaskas etwas enttäuschend war, so gab es dort zumindest einen kostenlosen WLAN-Zugang. Ein Traum, nach so langer Internet-Abstinenz. So zusagen ein echtes „must see“ für reisende Internet-Junkies wie mich.

Über Michael Grosch

Michael Grosch studierte Amerikanistik und Geografie in Erlangen. Auf seiner ersten Reise durch Alaska und den Yukon im Jahre 1995 und während eines Auslandssemesters an der University of Alaska Fairbanks im darauf folgenden Jahr wurde seine Leidenschaft für den nördlichsten US-Bundesstaat entfacht. Seither kehrt er immer wieder für längere Reisen in den hohen Norden Nordamerikas zurück.
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